Liebe Leserin, lieber Leser,
die Ereignisse zu Jahresbeginn sind wahrhaft und metaphorisch explosiv. Der Rauch von Feuerwerkskörpern und verbotenen Kugelbomben in der Silvesternacht hatte sich hierzulande kaum verzogen, brennende Wohnungen waren gerade erst gelöscht, Todesopfer gemeldet und Forderungen nach einem Böllerverbot erhoben – da kam es durch einen ganz anderen Knall beim Nachbarn Österreich zu Erschütterungen.
ÖVP und SPÖ, die Schwesterparteien von Union und SPD in Wien, ließen ihre Koalitionsverhandlungen platzen. Die Konservativen brachen ihr Versprechen und erklärten sich zu Gesprächen mit der rechten FPÖ bereit – um ihr den Weg ins Bundeskanzleramt zu ebnen. Nun frohlockt im angelaufenen Bundestagswahlkampf die rechte AfD, dass sich auch in Deutschland die Zeiten einmal ändern könnten.
Hauptstadt-Radar
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Da schlägt schon die nächste unglaubliche Nachricht ein. Der künftige US-Präsident Donald Trump möchte sich Grönland, das autonome Territorium Dänemarks, sowie den Panama-Kanal einverleiben, eventuell auch mit Gewalt. Die USA bräuchten schließlich beide Gebiete für ihre Sicherheit, sagt er.
Trump irrlichtert oft, manche sagen, man solle ihn reden lassen und nicht aufwerten durch Gegenargumente. Aber es nützt ja nichts, den mächtigsten Mann der Welt sollte man wohl besser ernst nehmen. Wie in seiner ersten Amtszeit wird man nun wieder schon in den Morgennachrichten neue Hiobsmeldungen aus den USA hören, die bis zum Abend entweder relativiert – oder verschärft werden.
Scholz stellt sich gegen Trump
Derzeit schließt der Republikaner nicht aus, dass er das Militär einsetzen könnte, um die Kontrolle über den Panama-Kanal und Grönland zu erlangen. „Es könnte sein, dass man etwas tun muss“, sagt er. Das einst vereinbarte Grundprinzip des Völkerrechts scheint ihn nicht zu kümmern: die Unverletzlichkeit der Grenzen. Aber vielleicht kennt er sich da gar nicht aus.
Blick auf die Miraflores-Schleusen (l) und die Cocoli-Schleusen (r) des Panamakanals. Der designierte US-Präsident Donald Trump schließt nicht aus, Kontrolle über den Kanal mit Gewalt einzufordern.
Quelle: picture alliance/dpa
Bundeskanzler Olaf Scholz hat nun etwas sehr Überraschendes getan, was nicht absehbar war. Es ist nicht lange her, dass er sich nach ersten Telefonaten mit Trump durchaus zuversichtlich äußerte, eine Verbindung zu ihm aufbauen zu können. Das hat sich anscheinend aber schon erledigt. Am Mittwoch schloss sich der Kanzler mit einigen europäischen Partnern kurz und schickte Trump danach eine Botschaft, die es in sich hatte.
Erstens: Grenzen dürfen nicht mit Gewalt verschoben werden. Das hört sich wie eine Selbstverständlichkeit an, ist als deutsche Mahnung an die USA aber eine neue Dimension. Erst recht, weil der Kanzler den gewählten US-Präsidenten in einen Zusammenhang mit dem russischen Kriegstreiber Wladimir Putin und dessen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine gestellt hat. „Das Prinzip der Unverletzlichkeit von Grenzen gilt für jedes Land, egal, ob es im Osten von uns liegt oder im Westen“, sagt Scholz.
Trump macht weiter, wo er aufgehört hat
Und dann erteilte der Kanzler dem baldigen Präsidenten noch Nachhilfe in Nato-Fragen. Verbündete seien nämlich gerade mit Putins Krieg in Europa beschäftigt. Auf absehbare Zeit sei hier die Sicherheitslage angespannt. Auf Grundlage einer detaillierten Bedrohungsanalyse würden in enger Abstimmung in der Nato präzise die nötigen militärischen Fähigkeiten bestimmt. Im Nato-Hauptquartier beugt man sich jedenfalls über Pläne zum Schutz der Ukraine vor Moskau und nicht über Grönland zum Schutz der USA.
In seiner ersten Amtszeit quälte Trump bei internationalen Gipfeln auch deutsche Politiker und Diplomaten damit, dass er Zusammenhänge nicht verstand. Im Umfeld von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wurde oft geklagt, dass er mit sachfremden Einwürfen den Betrieb aufgehalten habe und dann auch schnell müde gewesen sei. Vermutlich haben ihn die anderen Staats- und Regierungschefs aber auch einfach nicht interessiert. Und daran hat sich nichts geändert.
Trump wird die Welt in Atem halten und die Demokratien werden unter Druck geraten. Man wünschte sich ein wahrhaftes und metaphorisches Böllerverbot für gefährliche Knaller aller Art. Und ich wünsche Ihnen trotzdem ein frohes neues Jahr!
Machtpoker
Kritisiert das Heizungsgesetz: Bundeskanzler Olaf Scholz.
Quelle: IMAGO/
Der Bundeskanzler kritisiert das von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) verantwortete sogenannte Heizungsgesetz, das im Erstentwurf die halbe Republik aufgescheucht hatte. Denn: Alte Heizungen sollten verboten werden, ohne die Kosten für die nötigen Umbauten von Häusern abzufedern. „Es war falsch, den Austausch von Heizungen in privaten Häusern übers Knie zu brechen“, sagt Olaf Scholz (SPD) heute. Wer war noch mal Regierungschef, als das umstrittene Heizungspapier das Ministerium von Vizekanzler Habeck verließ? Richtig: Olaf Scholz. Aber offenbar hat der verantwortliche Bundeskanzler nicht verstanden, dass er die Pläne damals hätte stoppen sollen.
Wie Demoskopen auf die Lage schauen
Wenn Bundeskanzler Olaf Scholz seine Ankündigung wahr machen will, dass er die Bundestagswahl wieder gewinnt, müssten sich die Werte für seine SPD von nun an enorm verbessern. Die politische Stimmung habe sich aber auch nach dem Anschlag in Magdeburg, den Ereignissen in Syrien und der Feiertagspause nicht wesentlich geändert, ermittelte das Meinungsforschungsinstitut Forsa. Die Prognose von Forsa-Chef Manfred Güllner sieben Wochen vor dem Termin der Neuwahl lautet so: Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU) dürfte der nächste Kanzler werden, auch wenn er nach wie vor nicht sonderlich beliebt sei.
Hier die Sonntagsfrage:
Was unsere Leserinnen und Leser dazu sagen
Achim Sohns findet die Wahlwerbung des US-Milliardärs Elon Musk für die AfD in der „Welt am Sonntag“ gerechtfertigt:
„Es ist mittlerweile nicht mehr überraschend, dass man einem Großteil der Journalisten in Deutschland erklären muss, was Meinungsfreiheit bedeutet. Die Meinungsäußerung des weltweit erfolgreichsten Unternehmers, Elon Musk, zu den in der Tat fragwürdigen Verhältnissen in Deutschland, als von dessen „wirtschaftlichen Interessen“ geleitet darzustellen, verschlägt einem fast den Atem. Musk riskiert doch, wenn er sich – und zwar sehr gut begründet (wirtschaftlicher Niedergang, Katastrophe in der öffentlichen Sicherheit und im Bildungssystem durch unkontrollierte Zuwanderung) – gegen den rotgrünen Mainstream in der deutschen veröffentlichten Meinung stellt, eben genau seinen wirtschaftlichen Vorteil. Die deutsche Gesellschaft wird „gespalten“ durch die unverbesserliche Verbohrtheit eines großen Teils des woken Establishments, insbesondere in den klar grün dominierten Medien, die ihre wohlständische, urbane Abgehobenheit über die Realität der Menschen stellen. Das treibt die Menschen zur AfD. Das rechtfertigt den Beitrag von Elon Musk. Das nennt man Meinungsfreiheit.“
Volker Ebeling glaubt, dass Musk die AfD fallen lässt, wenn er keinen wirtschaftlichen Vorteil durch sie hat:
„Fühlt sich Elon Musk schon als Schattenpräsident, der sich bei Donald Trump mit ein paar Millionen aus der Portokasse eingekauft hat und sich schon alles erlauben kann? Was wollen die Europäer, die Deutschen, schon machen? Musk rechnet wohl nicht damit, dass die Teslas nicht mehr von den Bürgern gekauft werden. Dass sich die AfD über die Äußerungen freut, ist wieder zu kurz gedacht. Er wird die AfD im Regen stehen lassen, wenn es in seinen Kram passt, er sich keinen wirtschaftlichen Vorteil verspricht.
Das ist auch noch lesenswert
Meine Kollegin Johanna Apel kümmert sich bei uns unter anderem um das Thema Bauen und Wohnen. Nun hat sie sich mit obdachlosen Frauen getroffen. Eine 33-Jährige sagt: „Als Frau musst du dir das nicht antun mit einem Zelt im Park. Dann ist mindestens dein Schuh weg. Oder deine ganze Würde.“ Eine sehr lesenswerte Geschichte über Absturz und Hoffnung.
Mitarbeitende vom Kältebus-Team der Berliner Stadtmission sprechen mit einer obdachlosen Person, die in einem kalten Treppenhaus in Berlin liegt.
Quelle: IMAGO/Christian Ditsch, epd
Am 20. Januar kehrt Donald Trump ins Weiße Haus zurück. Er irrlichtert aber jetzt schon. Unser Brüsseler Korrespondent Sven-Christian Schulz hat es zusammengetragen.
So absurd es klingt, dass der künftige US-Präsident Donald Trump Grönland – das autonome Territorium Dänemarks – kaufen will, so alarmierend ist die Bereitschaft der Inselbewohner, sich von Dänemark loszusagen. Thomas Paterjey beschreibt, dass sie sich wahrscheinlich von ganz allein den USA hingeben – und dafür teuer bezahlen werden.
Wer wissen möchte, wohin eine jahrelange Abwehrschlacht gegen Rechtspopulisten führt, der schaue nach Österreich, empfiehlt RND-Chefredakteurin Eva Quadbeck. Die demokratische Mitte habe verloren und sei daran selbst schuld. Ihre Warnung: Deutschland droht ein ähnliches Schicksal. Warum, lesen Sie hier.
Am kommenden Donnerstag meldet sich meine Kollegin Eva Quadbeck mit dem nächsten Hauptstadt-Radar. Bis dahin!
Herzlich
Ihre Kristina Dunz
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