Verändert es die Ausgangslage vor der Wahl, wenn Elon Musk die AfD unterstützt? Meinungsforscher Roland Abold erklärt, wieso er nur einen „überschaubaren Gesamteffekt“ erwartet.
Herr Abold, wie disruptiv wirkt die Parteinahme Elon Musks für die AfD in dieser bisher doch eher statischen Umfragelage vor der Bundestagswahl?
In den USA sind diese sogenannten „endorsements“ relativ üblich. Für Deutschland sind solche Wahlempfehlungen schon sehr ungewöhnlich und etwas ganz Neues, zumal aus dem Ausland und von einem Akteur, dem unsere nationale Politik fremd ist.
Für wie groß aber halten Sie Musks Einfluss, wenn er in einer Tageszeitung und in Beiträgen auf seiner Social-Media-Plattform X für die AfD wirbt, etwa in einem offenbar geplanten Interview mit Parteichefin Alice Weidel?
Ich rechne mit einem überschaubaren Gesamteffekt. Die AfD ist bereits jetzt stark bei Männern mittleren Alters, die sich um ihre wirtschaftliche Entwicklung sorgen.
Gerade in dieser Klientel ist Elon Musk mutmaßlich sehr bekannt und populär, insofern passt er auch gut als Fürsprecher zu der Partei. Neue Wählerschichten dürfte die AfD mit ihm aber kaum ansprechen können.
Ein Technikguru, der einige der weltweit erfolgreichsten Unternehmen gegründet hat, soll nicht den einen oder die andere überzeugen können?
Die AfD wird alles versuchen, um genau damit zu werben: Ein international enorm erfolgreicher Unternehmer, der reichste Mann der Welt und Innovationsführer setzt auf die AfD. Ich schließe nicht aus, dass sich manche davon beeindrucken lassen.
Insgesamt hat die AfD aber bisher in puncto Wirtschaftskompetenz die größten Probleme, gerade in Abgrenzung zur FDP und zur Union.
Im Dezember haben nur neun Prozent der Deutschen der AfD am ehesten zugetraut, dass sie Deutschlands ökonomische Probleme lösen kann.
In dieser möglicherweise wahlentscheidenden Frage wird die Unterstützung von Musk allein nicht reichen, um diese Einschätzung zur Wirtschaftskompetenz der AfD grundlegend zu verändern.
Sie halten seine Wirkungsmacht also für begrenzt, obwohl seine Beiträge auch jenen auf X angezeigt werden, die ihm gar nicht folgen?
Die AfD setzt schon lange auf Social Media und ist damit insbesondere bei jüngeren Wählerinnen und Wählern ziemlich erfolgreich. In unserer jüngsten Umfrage lag sie bei 19 Prozent – fast eine Verdoppelung gegenüber dem Wahlergebnis bei der Bundestagswahl 2021.
Aus demoskopischer Sicht sieht es im Moment so aus, dass das Potenzial damit relativ weit ausgeschöpft ist.
Die Partei selbst tut plötzlich so, als sei Alice Weidels Kanzlerschaft nur noch einen Wimpernschlag entfernt.
Einmal abgesehen davon, dass niemand mit ihr koalieren will: Ich halte es für ausgeschlossen, dass die AfD bei der Bundestagswahl stärkste Partei werden kann.
Wir haben im November die grundsätzliche Wählbarkeit abgefragt – wer also unabhängig von der momentanen Präferenz unter Umständen für eine bestimmte Partei votieren könnte.
Da kam die AfD auf etwa 25 Prozent. Von diesem Maximalwert ist sie in aktuellen Umfragen nicht mehr so weit entfernt – daher die Einschätzung zum fast ausgeschöpften Potenzial.
Zwischenzeitlich ist die Zustimmung zur AfD zurückgegangen, die bei Infratest vor einem Jahr schon einmal bei 22 Prozent lag, zuletzt ist sie wieder gestiegen. Wie erklären Sie sich den Verlauf?
Die öffentlich gewordene Geheimkonferenz, bei der über Pläne zur sogenannten „Remigration“ gesprochen wurde, hat der AfD geschadet. Auch die Affäre rund um ihren Spitzenkandidaten für die Europawahl hinterließ ihre Spuren in den Umfragen.
Zudem kam zwischenzeitlich mit dem neu gegründeten BSW ein weiterer politischer Konkurrent ins Spiel.
Von den Anschlägen und Messerattacken, also der inneren Sicherheitslage, konnte die Partei dagegen wieder profitieren – vom Ende der Ampel-Regierung ohnehin.
Lässt sich messen, was die etablierten Parteien falsch gemacht haben, sodass sich die AfD auf sehr hohem Niveau ihrerseits etablieren konnte?
Die Diskrepanz zwischen wirtschaftlicher und sicherheitspolitischer Krise einerseits und die von Streit und Uneinigkeit gekennzeichnete Reaktion der Regierungsparteien darauf anderseits ist ein zentraler Faktor.
Wir haben den unbeliebtesten Bundeskanzler aller Zeiten und die größte Unzufriedenheit mit einer Bundesregierung, seit wir diese Messungen machen.
Aus Sicht der Wählerinnen und Wähler fehlt eine handlungsfähige und stabile Regierung, die das Land ordentlich durch diese Krise manövriert.
“AfD-Wähler und Anhänger haben daher vielfach eine klar rechte Orientierung, sind aber bei Weitem nicht alle rechtsextrem”
Und bei der Union, die bekanntlich vor der Ampel 16 Jahre regiert hat, bestehen weiterhin Zweifel, ob mit ihr beispielsweise in der Energie- oder Migrationspolitik wirklich alles ganz anders werden würde.
Davon profitiert die AfD, weil sie noch nie regiert hat und unbelastet Maximalforderungen aufstellen kann.
Welche Rolle spielt Alice Weidel als Person? In der hypothetischen Frage zu einer Kanzlerdirektwahl liegt sie gleichauf mit SPD-Amtsinhaber Olaf Scholz.
Mit etwa 20 Prozent liegt sie im Bereich von Scholz – Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz und der grüne Vizekanzler Robert Habeck kommen auf knapp 30 Prozent.
Ich halte das aber nicht für ausschlaggebend: Gerade bei der AfD haben Kandidaten oder Kandidatinnen noch nie eine besonders große Rolle gespielt – es geht um Protest und die Forderung nach fundamental anderen Verhältnissen.
Nicht jeder Vorschlag der AfD ist rechtsradikal, völkisch-extremistische Gesinnungen sind in ihren Reihen gleichwohl verbreitet, weshalb es auch immer Forderungen nach einem Parteiverbot gibt. Nehmen Sie in den Augen der Wählerinnen und Wähler dennoch eine Normalisierung der AfD wahr?
Man muss hier unterscheiden zwischen dem, was die Partei beziehungsweise ihre Vertreter machen und sagen, und wie ihre Anhängerschaft darüber denkt.
Im Umfeld der Landtagswahlen in Ostdeutschland hat sich in unseren Studien gezeigt, dass beispielsweise extreme Forderungen im Bereich der Remigration nur von einem kleineren Teil der Anhänger befürwortet werden.
AfD-Wähler und Anhänger haben daher vielfach eine klar rechte Orientierung, sind aber bei Weitem nicht alle rechtsextrem.
Bisher sieht es so aus: Merz hat beste Kanzlerchancen, als wahrscheinlichste Koalitionsoption gilt Schwarz-Rot ohne Scholz, wenn überhaupt, werden wegen der mäßigen Beliebtheit beider Kandidaten, Robert Habecks Grünen Aufholchancen eingeräumt, über das begrenzte Potenzial der AfD sprachen wir gerade. Kann es noch mehr Bewegung geben?
Erfahrungsgemäß hat sich zum jetzigen Zeitpunkt etwa ein Drittel der Menschen noch nicht entschieden beziehungsweise ist sich der eigenen Wahlentscheidung noch nicht ganz sicher.
Wir messen immer nur aktuelle Stimmungen, es kann immer etwas passieren, was selbst jene, die eigentlich schon festgelegt sind, zum Umdenken bringt.
Was ist mit dem Wahlkampf selbst?
Mit einem guten Wahlkampf, der nun ja erst richtig beginnt, lässt sich ebenfalls noch punkten. Das Wahlverhalten in den vergangenen Jahren ist immer kurzfristiger geworden, weil die Identifikation mit bestimmten Parteien abgenommen hat und die Gesellschaft insgesamt weniger homogen geworden ist. Theoretisch ist am 23. Februar somit noch alles möglich.