Es ist nicht einfach, einen Trump-Berater zu befragen ‒ zumal, wenn er per Video zugeschaltet ist und seine Aussagen eher holprig ins Deutsche übersetzt werden. Dieser Aufgabe musste sich Moderatorin Caren Miosga am Sonntagabend in ihrem Talk stellen, als es um Trumps Rückkehr ins Weiße Haus und seine Absichten ging. An ihrer Seite im Studio: die Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und der ehemalige deutsche Botschafter in Washington, Wolfgang Ischinger. Manches wurde klarer an diesem Abend, manches nicht.
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Eins aber machte der zugeschaltete Kenneth Weinstein, der Trumps Teams in europapolitischen Fragen berät, deutlich: Grönland, Panama und Kanada müssen sich erstmal keine Sorgen machen, oder nur ein bisschen, auch wenn das in letzter Zeit in Reden Trumps anders klang. „Es gibt drängendere Themen, die anstehen“, bekräftigte er, was Ischinger bereits vorher analysiert hatte. Weinstein verwies auf die von Trump versprochenen Abschiebungen von Straftätern, die Themen Iran, Gaza, die Ukraine sowie China und Taiwan. Mit Blick auf die Aussagen zu Grönland betonte er, dass Trump ein „unkonventioneller Politiker“ sei, der aus der Immobilienwelt komme und auch das Reality-TV kenne und „eben das Problem ernsthaft ansprechen“ haben wolle. Was das in dem Zusammenhang bedeuten sollte: unklar.
Ganz so ernst zu nehmen seien Trumps Aussagen offenbar nicht immer: „Das ist eben etwas, das ihm in den Sinn kommt“, sagte Weinstein über Trumps Androhung, möglicherweise auch militärische Mittel einzusetzen. Er glaube nicht, dass er das wirklich machen werde, so seine Einschätzung.
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Viel Raum nahm in der Sendung die Frage nach der Ukraine ein: Kann Trump für Frieden in dem Land sorgen, wie er es vollmundig verspricht? Eine Videoeinblendung zeigte den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, der zuversichtlich über Trump sagte: „Er hat genug Macht, um Putin unter Druck zu setzen.“ Ob sie dem zustimme, wollte Miosga von der Außenministerin Annalena Baerbock wissen – die ihrerseits prompt mit „Ja“ antwortete und sich an diesem Abend eher zurückhielt mit Trump-Kritik. „Es zeigt sich auch, wie wichtig es ist, gerade in solchen Zeiten (…) im intensiven Austausch zu sein.“ Man wollte auch unter einem Präsidenten Trump weiter mit den USA zusammenarbeiten, so die Ministerin. Diplomatie gehört zu ihrem Amt.
Wahlkampf im TV
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Trump-Berater Weinstein teilte gegen den scheidenden US-Präsidenten Joe Biden aus: „Biden hat es vermasselt, er hat den Krieg in der Ukraine nicht verändert“, sagte er und sprach von einer „schrecklichen Erbschaft“. Trump wolle nun Russlands Präsidenten Wladimir Putin an den Verhandlungstisch zwingen, indem er unter anderem Sanktionen verschärfe. „Trump ist sehr viel stärker, er versteht, wie er psychologisch mit jemandem wie Putin umgehen muss“, so seine Einschätzung.
Eher skeptisch blieb Ischinger. Er jedenfalls nannte es „wunderbar, wenn die Prognose tatsächlich Realität wird, wenn tatsächlich der neue Präsident in der Sache Ukraine (…) Zähne und Klauen zeigt und nicht etwa das tut, was in Europa vermutet wurde“ – nämlich, dass Trump der Ukraine schwere Kompromisse aufzwingen wolle. Ischinger warnte jedoch davor, in Panik auszubrechen, noch bevor Trump überhaupt im Amt sei. Man solle den neuen Präsidenten an seinen Taten messen. Europa wiederum müsse wieder lernen, mit einer Stimme zu sprechen. Und mit Blick auf China ergänzte er: „Wir sind aus der Sicht unserer chinesischen Kollegen 27 Zwergstaaten.“ Europa werde nur ernst genommen, wenn es mit einer Stimme sprechen.
„Wir Europäer müssen stärker für unsere eigene Sicherheit sorgen“
Dem konnte Baerbock nur zustimmen. „Wir Europäer müssen stärker für unsere eigene Sicherheit sorgen“, betonte sie. Ganz konkret ging es dabei auch um die Nato-Verteidigungsangaben, von denen Trump einen Anstieg auf 5 Prozent gefordert hatte. Unabhängig von den Prozentzahlen betonte Ischinger hierbei: Dass wir in die Verteidigung investieren müssten, weil die Amerikaner es forderten, sei „dummes Zeug“. „Wir machen es doch nicht den USA zuliebe. (…) Wir müssen uns tatsächlich noch viel intensiver um unsere eigene Leistungsfähigkeit kümmern.“
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US-Radar
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Uneinigkeit herrschte bei der Vorstellung davon, was passieren müsse, wenn Putin seine Truppen tatsächlich aus der Ukraine abziehen würde ‒ und der Frage, ob dann auch deutsche Soldaten zur Sicherung in das Land geschickt werden sollten. „Wir können nicht erneut sagen: ‚Gucken wir mal, ob Putin sich daran hält‘“, machte Baerbock deutlich. Die Europäer müssten in einem solchen Fall Sicherheitsgarantien geben. Sie hatte bereits im Dezember vergangenen Jahres gesagt, dass sie sich auch deutschen Friedenstruppen – in einem Verbund mit anderen europäischen Einheiten – in der Ukraine vorstellen könnte.
Deutsche Truppen in der Ukraine?
Davor warnte allerdings Ischinger: „Ich habe große Bedenken, europäische Truppen in der Ukraine zu stationieren“, sagte er. „Man bräuchte mindestens 40.000 bis 50.000 Soldaten, um das abzusichern. Wo sollen die denn herkommen?“ Sein Vorschlag: die Stachelschweintheorie, „die Ukraine so ausrüsten, dass sie sich wie ein Stachelschwein auch gegen einen großen Tiger wehren kann“. Wie das zu bewerkstelligen sein könnte, ließ er zunächst offen. „Wie verteidigt sich denn ihr Stachelschwein?“, setzte Baerbock daraufhin nach. Ischinger antwortete, er halte es für realistischer, dass etwa Soldaten aus Indien, Brasilien und weiteren Staaten die Grenze sichern würden. „Wenn die USA bereit sind, mit Truppen präsent zu sein, dann machen wir mit“, sagte er weiter. „Aber wir alleine – was machen wir denn, wenn Russland dann wieder angreift?“
Dass die USA mitmachen, da nahm allerdings Trum-Berater Weinstein dem ehemaligen Botschafter den Wind aus den Segeln: „Die USA wird natürlich Unterstützungsleistung liefern (…), aber für Bodentruppen sehe ich keine Möglichkeit, da steht zu viel auf dem Spiel.“ Dennoch könnten sich die Europäer „absolut“ auf den Schutz der USA verlassen. Etwas, das mit Blick auf den neuen Präsidenten Trump in Deutschland immer wieder infrage gestellt wird.