Zwei Wochen nach dem Sturz von Präsident Baschar al-Assad kommt es in Syrien zu den bislang schwersten Unruhen. Bei einem Hinterhalt von Anhängern des gestürzten Machthabers sind 14 Sicherheitskräfte der Übergangsregierung getötet worden. Das meldete die staatliche Nachrichtenagentur unter Berufung auf den neuen syrischen Innenminister.
Örtliche Sicherheitskräfte wollten demnach den früheren Direktor von Assads Militärischer Justizverwaltung in dessen Haus in Tartus im Westen des Landes festnehmen, als junge Bewaffnete das Feuer auf sie eröffneten. Zehn weitere Beamte seien verletzt worden, teilte Innenminister Mohammed Abdel Rahman über Telegram mit. Er sprach von einem Hinterhalt der „Überreste“ des Assad-Regimes und kündigte ein hartes Vorgehen gegen „jeden an, der es wagt, die Sicherheit Syriens zu untergraben oder das Leben seiner Bürger zu gefährden“.
Bei dem Überfall seien auch drei der Täter getötet worden. Das Innenministerium hatte zuvor vor Versuchen verbliebener Assad-Anhänger gewarnt, das Land zu destabilisieren.
Noch immer viele vermisste Gefangene
Die Provinz Tartus ist eine Hochburg der alawitischen Minderheit, der auch der entmachtete Präsident Assad angehört. Der Offizier, der festgenommen werden sollte, gehörte den Angaben zufolge zu den Verantwortlichen für Verbrechen im berüchtigten Saidnaja-Gefängnis. Er habe „Todesurteile und willkürliche Urteile gegen Tausende von Gefangenen verhängt“, hieß es weiter. Nach dem Sturz Assads wurden zahlreiche Häftlinge aus den Gefängnissen befreit. Zehntausende Menschen werden jedoch immer noch vermisst. Das Saidnaja-Gefängnis steht symbolhaft für die Brutalität der jahrzehntelangen Assad-Regierung.
Die Zusammenstöße in Tartus hätten begonnen, als mehrere Bewohner sich weigerten, ihre Häuser durchsuchen zu lassen, erklärte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit Sitz in London. Der Bruder des Offiziers und bewaffnete Männer hätten die Sicherheitskräfte abgefangen.
Weitere Unruhen im Land
Das Innenministerium gab außerdem bekannt, Mitglieder des früheren Regimes hätten am Mittwoch Sicherheitskräfte in der syrischen Küstenregion angegriffen, wobei es mehrere Tote und Verletzte gegeben habe. Für zusätzliche Aufregung sorgte ein im Internet kursierendes Video, das angeblich die Schändung eines alawitischen Heiligtums in Aleppo zeigt. Das Innenministerium erklärte, die Aufnahmen stammten aus dem November und würden nun gezielt verbreitet, um Konflikte zu schüren.
Zuvor hatten die Behörden eine nächtliche Ausgangssperre über die Stadt Homs verhängt. Dort war es nach Berichten staatlicher Medien zu Unruhen im Zusammenhang mit Demonstrationen von Angehörigen der alawitischen und schiitischen Minderheit gekommen, die als loyal zu Assad gelten. Auch in anderen Küstenregionen, in denen viele Alawiten leben, kam es zu kleineren Demonstrationen.
Kämpfer unter Führung der sunnitischen islamistischen Rebellengruppe Hayat Tahrir al-Sham (HTS) hatten am 8. Dezember Damaskus erobert. Assad, dem Entführung, Folter und Ermordung von Andersdenkenden vorgeworfen werden, floh nach Russland.
Die neue Führung ist nach eigenen Angaben bemüht, sich von ihren extremistischen Wurzeln zu distanzieren. Sie hat wiederholt versprochen, religiöse Minderheiten zu schützen. Diese befürchten jedoch, dass die ehemaligen Rebellen eine konservativ-islamische Regierungsform durchsetzen könnten. Die Vereinten Nationen und auch die EU führen die HTS auf der Terrorliste.