Zehntausenden Unternehmen droht in den kommenden Jahren die Schließung, weil Inhaber keinen Nachfolger finden. Das ist ein Problem für den gesamten Wirtschaftsstandort Deutschland.
“Das Wissen wird verloren gehen. Das ist gefährlich”, sagt Hartmut Petzold, während er in seinem Lager in Hagen einige Kartons Reinigungsknete neben die Kfz-Glasreiniger einsortiert. Seit 1988 entwickeln und vertreiben der 68-jährige Hartmut und sein 66-jähriger Bruder Christian Produkte für Fahrzeugpflege und Lacke.
“Wenn man sich so viele Jahre um Oberflächen gekümmert hat, wenn man Tausende Liter Lack verarbeitet hat, wenn man Pokale und Wettbewerbe gewonnen hat, wollen wir das weitergeben”, sagt Christian Petzold. “Wenn man jetzt im Rentenalter ist und sieht, dass alle anderen sich schon verabschiedet haben, dann fragt man sich, wie lange will man das noch machen.” Die Brüder, in blauen Hemden gekleidet, lieben ihren Beruf, doch die Zeiten seien härter geworden.
Lebenswerk soll in gute Hände kommen
Der Umsatz ist in den letzten Jahren eingebrochen, alte Kunden gehen pleite und die Brüder wissen, dass eine Übergabe nötig ist. Seit Jahren bemühen sie sich um eine Nachfolge – bislang vergeblich. “Wenn man mit Herzblut dranhängt, dann möchte man auch, dass die Firma weiter- und nicht irgendwo ins Leere läuft”, sagt Christian Petzold. Ihr Lebenswerk und ihr Wissen sollen in gute Hände kommen, doch weder externe noch familiäre Nachfolger bieten sich an.
“Die Unternehmensnachfolge ist für den deutschen Mittelstand eine Herausforderung von sehr großer Tragweite”, bestätigt DIHK-Experte Marc Evers diesen Fall. “Die Zahl der Unternehmerinnen und Unternehmer, die eine Nachfolgelösung suchen, ist dreimal so hoch wie die Zahl der Interessenten.” Die IHK rechnet vor: In den nächsten fünf Jahren stehen mehr als 250.000 Unternehmen vor dem Aus, wenn es nicht zur Übergabe kommt. Egal ob extern oder aus der eigenen Familie.
Problem durch demografische Entwicklung
Die ungünstige demografische Entwicklung in Deutschland wirke sich aus. Gerade im Alter zwischen 18 und 40 Jahren entscheidet es sich, ob man unternehmerische Verantwortung übernehmen will und kann. “Doch diese Jahrgänge sind von Jahr zu Jahr schwächer besetzt. Gleichzeitig erreichen immer mehr Unternehmerinnen und Unternehmer das Ruhestandsalter”, sagt Evers.
Ein Grund liegt bei den beteiligten Akteuren selbst: 29 Prozent der Unternehmen, die zu einer IHK-Beratung kommen, fällt es schwer, von ihrem Unternehmen emotional loszulassen. Jeder fünfte Unternehmer warte zu lange mit der Übertragung, um später einen noch höheren Kaufpreis erzielen zu können.
Mit Herzblut Geschäft aufgebaut
Darum geht es den Petzold-Brüdern in Hagen aber gar nicht. “Unser Geschäft ist in erster Linie mit Herzblut aufgebaut”, sagt Hartmut Petzold. “Wir waren damals noch hungrig. Wir haben uns festgebissen. Für uns war auch ein 20-Stunden-Tag kein Problem. Mit zu viel Work-Life-Balance wird das natürlich nichts.” Unternehmer sein bedeute auch Verzicht und absolute Überzeugung. “Die Motivation muss von Beginn an da sein, dass man das als seinen Lebensinhalt sieht. Dass man mit dem Betrieb sein Leben ausfüllen will.”
Und genau solche Unternehmer werden Deutschland in Zukunft fehlen, prognostiziert die IHK. “Das Wissen und die Werte verschwinden. Wenn es weniger Unternehmen gibt, werden wir weniger Wettbewerb haben und weniger Innovationsfreudig sein”, so die IHK. “Am Ende steigen so die Preise und wir werden auch im internationalen Wettbewerb ein Problem bekommen.”
Übergabe sollte gut vorbereitet sein
Wichtig ist: Unternehmen müssen fit für die Zukunft sein. Etwa drei bis zehn Jahre vor der geplanten Übergabe sollten Inhaber damit beginnen, das Unternehmen für die nächste Generation aufzustellen. Ist das Angebot zukunftsorientiert? Stimmen die Margen? Ist die Produktion auf dem neuesten Stand? Stimmt die Unternehmens-Organisation? Fragen, die sich die Petzold-Brüder aus Hagen längst gestellt und beantwortet haben.
Ende des Monats wollte sich noch ein möglicher Interessent bei den Petzold-Brüdern zurückmelden. Doch wirklich zuversichtlich sind sie da nicht.